Der Handwerkssektor in Deutschland steht vor einer großen Herausforderung: Der Mangel an qualifizierten Fachkräften. Betriebe suchen händeringend nach Fachpersonal, um Aufträge fristgerecht und zeitnah erledigen zu können und um das Wachstum zu sichern. Mit dem neuen Fachkräfteeinwanderungsgesetz, das 2023 in Kraft getreten ist, gibt es neue Chancen, um diese Lücke zu schließen – vor allem durch qualifizierte Arbeitskräfte aus dem Ausland. Doch was bedeutet das für Handwerksbetriebe konkret?
Die wichtigsten Neuerungen im Fachkräfteeinwanderungsrecht 2023
Das überarbeitete Gesetz soll es Unternehmen erleichtern, ausländische Fachkräfte aus Nicht-EU-Staaten, anzuwerben. Einige der wichtigsten Änderungen umfassen:
- Erweiterte Möglichkeiten für Fachkräfte ohne formale Anerkennung ihrer Berufsqualifikation:
Gerade im Handwerk scheiterten bislang viele Einwanderungswillige daran, dass ihre Qualifikationen in Deutschland nicht anerkannt wurden. Nun können Fachkräfte mit nachweisbarer Berufserfahrung auch ohne vollständige Anerkennung eine Beschäftigung aufnehmen – eine große Chance für Handwerksbetriebe, die dringend erfahrenes Personal aus der eigenen Branche suchen. - Die Chancenkarte auf Basis eines Punktesystems:
Mit der neuen „Chancenkarte“ können Handwerksbetriebe gezielt Arbeitskräfte ins Land holen. Dieses Punktesystem berücksichtigt Faktoren wie Alter, Berufserfahrung, Sprachkenntnisse und den Bedarf auf dem Arbeitsmarkt. - Erleichterung bei den Visaverfahren:
Bürokratische Hürden waren bisher eine der größten Herausforderungen bei der Einstellung ausländischer Fachkräfte aus Drittländern. Mit dem neuen Gesetz sollen Visaverfahren beschleunigt und digitalisiert werden, um eine schnellere Anstellung zu ermöglichen. - Fokus auf Berufe mit akutem Fachkräftemangel:
Handwerksberufe wie Elektriker, Anlagenmechaniker oder Schreiner stehen auf der Liste der Engpassberufe. Für diese Berufsfelder gelten vereinfachte Voraussetzungen bei der Anwerbung aus dem Ausland.
Nicht reglementierte Tätigkeiten und ihre Voraussetzungen
Eine bedeutende Erleichterung für viele Handwerksbetriebe ist, ausländische Fachkräfte für nicht reglementierte Tätigkeiten, einzustellen. Diese Tätigkeiten setzen keinen formalen Anerkennungsprozess der Qualifikationen voraus und umfassen Berufe, die nicht direkt durch gesetzliche Vorschriften reguliert werden, wie beispielsweise Helfertätigkeiten oder bestimmte Gewerke im Bauhandwerk.
Voraussetzungen für nicht reglementierte Tätigkeiten:
- Nachweis praktischer Erfahrung:
Fachkräfte müssen ihre Qualifikation durch Arbeitszeugnisse, Referenzen oder andere Nachweise ihrer beruflichen Tätigkeit belegen können. - Sprachkenntnisse:
Grundlegende Deutschkenntnisse (Niveau A2) sind erforderlich, um die Kommunikation im Betrieb sicherzustellen. - Arbeitsvertrag oder verbindliches Jobangebot:
Ein Arbeitsvertrag muss vorliegen, welcher die Tätigkeiten und den geplanten Einsatzbereich beschreibt. - Visum für nicht reglementierte Berufe:
Die Visavergabe ist weniger bürokratisch, wenn die Voraussetzungen erfüllt sind. Der Antrag wird in Zusammenarbeit mit den deutschen Behörden und den Botschaften im Herkunftsland der Fachkraft gestellt.
Unterstützung bei ausländischen Qualifikationen
Handwerksbetriebe, die Fragen zur Anerkennung oder Bewertung ausländischer Qualifikationen haben, können sich an die BQFG-Stellen der Handwerkskammern wenden. Diese Stellen beraten kostenlos und helfen dabei, die Qualifikationen potenzieller Fachkräfte zu bewerten und den Anerkennungsprozess zu begleiten.
Für weitergehende Fragen, insbesondere bei der Einreise oder Visumserteilung, steht die Zentralstelle für Fachkräfteeinwanderung (ZFE) als Ansprechpartner zur Verfügung. Diese Institution koordiniert komplexe Fälle und unterstützt Betriebe bei allen rechtlichen und organisatorischen Herausforderungen.
Die Anerkennungspartnerschaft ab März 2024
Ab März 2024 wird mit der Anerkennungspartnerschaft ein weiteres Werkzeug zur Fachkräfteeinwanderung eingeführt. Mit ihr ist es möglich, das Anerkennungsverfahren erst einzuleiten, wenn die internationale Fachkraft sich bereits in Deutschland befindet. Die Fachkraft kann somit schneller einreisen und arbeiten sowie Beratungsangebote vor Ort nutzen.
Voraussetzungen für die Anerkennungspartnerschaft:
- Vertragliche Vereinbarung:
Der Betrieb und die Fachkraft vereinbaren schriftlich, einen staatlich anerkannten Berufsabschluss (mind. 2 Jahre Ausbildung) anzustreben. - Deutschkenntnisse:
Es muss die Qualifikation A2 erreicht werden. - Zustimmung der Bundesagentur für Arbeit:
Das Amt muss seine Zustimmung geben.
Mit der Anerkennungspartnerschaft können Fachkräfte bereits während des Anerkennungsverfahrens beschäftigt werden. Das ermöglicht einen direkten Praxiseinsatz, während die Formalitäten im Hintergrund geklärt werden.
Ein Blick in die Zukunft
Das neue Fachkräfteeinwanderungsgesetz, die Weiterentwicklungsverordnung, die Regelungen für nicht reglementierte Tätigkeiten und die Anerkennungspartnerschaft bieten enorme Chancen für die Handwerksbranche, bleiben aber nicht ohne Herausforderungen. Betriebe müssen sich aktiv einbringen, um die Vorteile dieser Änderungen voll ausschöpfen zu können. Langfristig könnte die gezielte Einwanderung von Fachkräften dazu beitragen, die Wettbewerbsfähigkeit des Handwerks in Deutschland zu sichern – und so den Weg für weiteres Wachstum zu ebnen.
Fazit
Die neuen Regelungen rund um die Fachkräfteeinwanderung bringen mehr Flexibilität und neue Chancen für Handwerksbetriebe. Es ist an der Zeit, diese Möglichkeiten zu nutzen und die Zukunft des Handwerks aktiv mitzugestalten.
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