In der Praxis kommt es häufig vor: Der Kunde kauft selbst Material – etwa Waschbecken, Armaturen oder Bodenbeläge – und bittet den Handwerker, diese einzubauen. Was nach einem Servicegedanken klingt, kann für den Betrieb schnell zum Haftungsrisiko werden. Denn: Wer das Material verbaut, übernimmt damit auch Pflichten – selbst dann, wenn er es nicht geliefert hat.
Dieser Beitrag erklärt, welche rechtlichen Rahmenbedingungen gelten, welche Risiken bestehen und wie Handwerksbetriebe sich absichern können.
Inhaltsverzeichnis
1. Der rechtliche Hintergrund: Werkvertrag und Mängelhaftung
Grundlage ist das Werkvertragsrecht (§§ 631 ff. BGB).
Ein Handwerksbetrieb schuldet dem Auftraggeber ein mangelfreies Werk. Das bedeutet: Das Endergebnis – z. B. die fachgerechte Montage einer Armatur – muss den anerkannten Regeln der Technik entsprechen.
Info:
Ein Werkvertrag kommt zustande, wenn der Handwerker einen bestimmten Erfolg schuldet, wie z. B. eine Reparatur oder den Bau eines Objekts. Wenn nur eine Tätigkeit geschuldet ist, wie z.B. eine Beratung oder eine bestimmte Arbeitszeit, handelt es sich um einen Dienstvertrag.
Wichtig:
Ob das Material vom Handwerker oder vom Kunden stammt, ändert grundsätzlich nichts daran, dass der Handwerker für die fachgerechte Ausführung haftet.
Allerdings: Wenn der Mangel auf fehlerhaftes Fremdmaterial zurückzuführen ist, liegt der Fall anders.
2. Haftung für Fremdmaterial: Wann der Handwerker haftet – und wann nicht
a) Der Handwerker haftet, wenn:
- er das Material trotz erkennbarer Mängel verarbeitet (§ 4 Abs. 3 VOB/B bzw. § 642 BGB analog),
- er nicht auf mögliche Risiken hinweist, die aus dem Fremdmaterial entstehen können,
- er das Material unsachgemäß verarbeitet oder nicht entsprechend den Herstellerangaben montiert.
Beispiel:
Der Kunde bringt Fliesen mit, deren Oberfläche für Fußbodenheizung ungeeignet ist. Der Handwerker erkennt dies, verbaut sie aber trotzdem – ohne Hinweis. Später platzen die Fliesen. → Der Handwerker haftet für den Mangel.
b) Der Handwerker haftet nicht, wenn:
- er den Kunden rechtzeitig und nachweisbar auf das Risiko hingewiesen hat,
- das Material trotz korrekter Verarbeitung wegen eines Materialfehlers versagt,
- der Kunde trotz Warnung auf die Verwendung des Fremdmaterials besteht.
In diesem Fall kann sich der Handwerker von der Haftung freizeichnen, wenn der Kunde den Einbau ausdrücklich verlangt – am besten schriftlich bestätigt.
3. Relevante Rechtsgrundlagen im Überblick
| Rechtsquelle | Regelungsinhalt | Bedeutung für Handwerker |
|---|---|---|
| §§ 631–650 BGB | Werkvertragsrecht | Regelt Pflichten, Mängelhaftung, Vergütung |
| § 640 BGB | Abnahme des Werkes | Zeitpunkt, ab dem Gewährleistung läuft |
| § 642 BGB | Mitwirkung des Auftraggebers | Kunde muss Mitwirkungspflichten erfüllen |
| § 13 VOB/B | Mängelansprüche | Haftung für Mängel – auch bei Kundenmaterial |
| § 4 Abs. 3 VOB/B | Bedenkenhinweispflicht | Handwerker muss auf erkennbar ungeeignetes Material hinweisen (am besten schriftlich!!!) |
| § 278 BGB | Erfüllungsgehilfenhaftung | Betrifft Zulieferer und Subunternehmer |
| ProdHaftG | Produkthaftungsgesetz | Greift, wenn Materialhersteller haftet |
4. Die Bedenkenhinweispflicht: Das wichtigste Schutzinstrument
Die sogenannte Bedenkenhinweispflicht (§ 4 Abs. 3 VOB/B) ist für Handwerker entscheidend.
Sie verpflichtet dazu, den Auftraggeber unverzüglich und schriftlich darauf hinzuweisen, wenn:
- das Material des Auftraggebers nicht geeignet erscheint,
- die Verarbeitung riskant ist oder
- die geplante Ausführung technische Mängel erwarten lässt.
Ohne diesen Hinweis kann der Handwerker später nicht einwenden, dass das Material fehlerhaft war – selbst wenn der Fehler eindeutig im Fremdmaterial lag.
Praxis-Tipp:
Den Hinweis immer schriftlich festhalten (z. B. per E-Mail oder im Auftragsformular) und vom Kunden unterzeichnen lassen. Nur so ist der Betrieb rechtlich abgesichert.
5. Vertragliche Gestaltung: So sichern sich Handwerker ab
Eine klare vertragliche Regelung schützt beide Seiten.
Empfehlenswert ist, im Angebot oder Auftrag folgende Punkte aufzunehmen:
Beispielhafte Formulierung:
„Das vom Auftraggeber beigestellte Material wird vom Auftragnehmer ohne Gewähr für dessen Qualität und Eignung verarbeitet. Der Auftragnehmer übernimmt keine Haftung für Mängel, die auf Eigenschaften oder Defekte des vom Auftraggeber gelieferten Materials zurückzuführen sind. Der Auftragnehmer hat den Auftraggeber auf erkennbare Risiken hingewiesen.“
Zusätzlich empfehlenswert:
- Vereinbarung einer reduzierten Gewährleistung nur auf die handwerkliche Leistung,
- Dokumentation von Materialbeschaffenheit (Fotos, Lieferschein, Markenname etc.),
- ggf. Prüfungspflicht: Wenn der Verdacht besteht, dass das Material fehlerhaft ist, sollte der Einbau verweigert oder ein schriftlicher Haftungsausschluss vereinbart werden.
6. Versicherungsrechtliche Aspekte
Auch die Betriebshaftpflichtversicherung deckt nicht immer Schäden ab, die durch Fremdmaterial entstehen.
Einige Policen schließen die Haftung für beigestelltes Material ausdrücklich aus. Es lohnt sich daher, den Versicherungsschutz regelmäßig zu prüfen und ggf. anpassen zu lassen.
Empfehlung:
Mit dem Versicherer klären, ob der Einbau von Kundematerial abgedeckt ist – insbesondere bei Elektro-, Sanitär- oder Heizungsinstallationen.
7. Praktische Tipps zur Risikominimierung
- Aufklärungspflicht ernst nehmen: Kunden frühzeitig über Risiken informieren.
- Schriftlich dokumentieren: Hinweise, Vereinbarungen und Freizeichnungsklauseln dokumentieren.
- Material prüfen: Sichtprüfung auf erkennbare Mängel durchführen.
- Eigene Lieferung bevorzugen: Eigene Beschaffung bedeutet volle Kontrolle über Qualität und Haftung.
- Vertragliche Standards schaffen: Eigene Mustertexte oder Auftragsbedingungen nutzen.
- Versicherungsschutz prüfen: Ggf. erweiterten Schutz vereinbaren.
8. Fazit: Vorsicht ist besser als Kulanz
Fremdmaterial zu verbauen, kann Servicecharakter haben – birgt aber erhebliche Haftungsrisiken.
Handwerksbetriebe sollten daher klare Regeln schaffen:
Nur nach vorheriger Prüfung, schriftlicher Haftungsfreizeichnung und dokumentiertem Hinweis auf mögliche Risiken sollte der Einbau erfolgen.
So bleiben Betrieb und Kunde auf der sicheren Seite – und aus gut gemeintem Service wird kein teures Haftungsproblem.
Tipp:
Die Handwerkskammern und Innungen bieten oft Musterformulierungen und Schulungen zum Thema „Bedenkenhinweispflicht“ und „Haftung bei beigestelltem Material“ an – eine Investition, die sich lohnt.
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